Archiv für Mai 2nd, 2010

Sümpfe der Traurigkeit

Sonntag, 2. Mai 2010 at 15:10

  

Eines Morgens, in dessen trübem Zwielicht alle Zeit stehen geblieben zu sein schien, erblickte er schließlich von einem Hügel aus die Sümpfe der Traurigkeit. Nebelschwaden zogen darüber hin, da und dort ragten kleine Wälder auf aus Bäumen, deren Stämme sich nach untern hin in vier, fünf oder mehr verkrümmte Stelzen aufteilten, sodass sie wie große Krebse aussahen, die auf vielen Beinen im schwarzen Wasser standen. Aus dem braunen Laubwerk hingen allenthalben Luftwurzeln nieder, die reglosen Fangarmen glichen. […] “Bei jedem Schritt, den wir weitergehen, wird die Traurigkeit in meinem Herzen größer. Ich habe keine Hoffnung mehr. Und ich fühle mich so schwer, so schwer. Ich glaube, ich kann nicht mehr weiter. […] Ich kann diese Traurigkeit nicht mehr aushalten. Ich will sterben.” […] Atréju zerrte verzweifelt am Zügel, aber das Pferdchen versank immer tiefer. Er konnte nichts dagegen tun. Als schließlich nur noch der Kopf des Tieres aus dem schwarzen Wasser ragte, nahm er ihn in die Arme. “Ich halte dich fest, ich lass dich nicht untergehen.” Das Pferdchen wieherte noch einmal leise. “Du kannst mir nicht mehr helfen. Mit mir ist es aus. […] Die Traurigkeit ist es, die mich so schwer gemacht hat, dass ich versinken muss.” […] Der Kopf des Pferdchens lag jetzt schon halb im schwarzen Wasser.

aus Michael Ende: Die Unendliche Geschichte… und dann ist das Pferdchen ja tatsächlich gestorben.. ;(

Abgelegt von Traurig
von Anna