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Der Fortsetzungsroman 1
Philosophie, die einmal überholt schien, erhält sich
am Leben, weil der Augenblick ihrer Verwirklichung
versäumt ward. Das summarische Urteil, sie habe die
Welt bloß interpretiert, sei sei durch Resignation vor der
Realität verkrüppel auch in sich, wird zum Defaitismus
der Vernunft, nachdem die Veränderung der Welt mißlang.
Sie gewährt keinen Ort, von dem aus Theorie als solche
des Anachronistischen, dessen sie nach wie vor verdächtig
ist, konkret zu überführen wäre. Vielleicht langte die
Interpretation nich zu, die den praktischen Übergang
verhieß. Der Augenblick, an dem dieKritik der Theorie
hing, läßt nicht theoretisch sich prolongieren.
Praxis, auf unabsehbare Zeit vertagt, ist nicht mehr
die Einspruchsinstanz gegen Selbstzufriedene
Spekulation, sondern meist der Vorwand, unter dem
Exekutiven den kritischen Gedanken als eitel
abzuwürgen, dessen verändernde Praxis bedürfte.
Nachdem Philosophie das Versprechen, sie sei eins
mit der Wirklichkeit oder stünde unmittelbar vor deren
Herstellung, brach, ist sie genötigt, sich selber rücksichslos
zu kritisieren. Was einst, gegenüber dem Schein der Sinne und
jeglicher nach außen gewandten Erfahrung, als das schlechthin
Unnaive sich fühlte, ist seinerseits, objektiv, so naiv
geworden, wie Goethe schon vor hundertfünfzig Jahren die
kümmerlichen Kandidaten empfand, die subjektiv an der
Spekulation sich gütlich taten. Der introvertierte
Gedankenarchitekt wohnt hinter dem Mond, den die
extrovertierten Techniker beschlagnahmen. Die
begrifflichen Gehäuse, in denen, nach philosophischer
Sitte, das Ganze sollte untergebracht werden können, gleichen
angesichts der unermeßlich expandierten Gesellschaft und
der Fortschritte positiver Naturerkenntnis Überbleibseln der
…